Kritisches zur DDC

Es gibt berechtigte Kritik an der Dewey-Dezimalklassifikation:

aus der Sicht des 21. Jahrhunderts
aus europäischer Perspektive
aus dem Blickwinkel des deutschen Sprachraums

Die DDC war – von ihrer Entstehungsgeschichte her verwundert das nicht – in ihrer Grundstruktur stark auf US-amerikanische Verhältnisse zugeschnitten.

Sie wurde zunächst ja nur als Aufstellungssystematik konzipiert. Bei der Freihandaufstellung ist das Literaturaufkommen ein besonders wichtiges Kriterium. Es ist leicht nachvollziehbar, dass ursprünglich etwa für ein Thema wie Grand Canyon mehr Platz bereitzuhalten war als beispielsweise für die Ostalpen oder gar die Hohen Tauern.

So wie sich bei einem vor 130 Jahren errichteten Gebäude (etwa ein Wiener Ringstraßenpalais) Grundriss, Fundament und ursprüngliche Raumanordnung später nicht ohne weiteres verändern lassen, bleibt auch in einem konstruierten Wissensordnungssystem wie der DDC der Bauplan erhalten. Zu- und Umbauten jedoch, und hin und wieder eine modernere Fassade, sowie der Ersatz von unbrauchbar gewordenem Mobiliar und zusätzliche, neue Möbelstücke sind möglich und lohnen sich, solange die Bausubstanz gut gepflegt wird und erhalten bleibt, noch dazu, wenn sie von immer zahlreicher werdenden Mietern genutzt wird.

Auf DDC übertragen bedeutet dieser Vergleich:

Die 10x10x10… Klassen bleiben, was sie von Anfang an waren und behalten Struktur und ursprüngliche Grundbedeutung mit festgelegten Zuordnungen für alle Teildisziplinen des Wissens der Welt.

Neue Wissensgebiete werden allerdings an den systematisch passenden Stellen hinzugefügt, aber immer in der vorgegebenen dezimalen Struktur. Für neu hinzu kommende Sprachgebiete werden Erweiterungen für die Besonderheiten des jeweiligen Kulturraumes integriert. Maßstab für die Schaffung neuer Klassen ist nach wie vor das zu erwartende Literaturaufkommen, wenn es heute auch längst nicht mehr in erster Linie um das Aufstellen der Bücher geht, sondern um das wieder Auffinden von Inhalten in vernetzten Katalogen und Internetressourcen.

In sensiblen Bereichen wie beispielsweise im Recht oder bei der Religion ist diese Anpassung bisher noch nicht weit genug gediehen. Eine stimmige Zuordnung europäischer Sachverhalte fällt hier oft besonders schwer.

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